hubert blanz

Spielwarenfabrik
Fine Art Print, Objekt, Audio-/Videoinstallation, Hubert Blanz, 2024-25
Katharina Ehrl zur Einzelausstellung Spielwarenfabrik, Galerie Reinthaler, Wien, 2024-25


Spielwarenfabrik

Katharina Ehrl

Beim Lesen des Begriffs Spielwarenfabrik entstehen sofort Assoziationen mit einem Ort, an dem bunte Spielzeuge wie Puppen, Bauklötze oder kleine Autos gefertigt werden, die Kinderaugen zum Leuchten bringen. Auch die Spritzgussrahmen, die Hubert Blanz verwendet, erinnern an die vertrauten Elemente des Modellbaus. Viele von uns haben Stunden damit verbracht, winzige Bauteile herauszulösen, um sie anschließend sorgfältig gemäß der Anleitung zu Flugzeugen oder anderen Modellen zusammenzusetzen, zu bemalen und mit den entsprechenden Emblemen zu versehen. Auch wenn man mit Spielwaren wohl in der Regel eher Freude, Unbeschwertheit und kindliche Fantasie verbindet, waren diese Modellbauflugzeuge überwiegend Militärflugzeuge wie der Eurofighter oder auch Modelle aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, die dann die Kinderzimmer dekorierten.

Die Spritzgussrahmen sowie die fünf katalogähnlichen Kategorien – Figuren, Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe und Sci-Fi – in die die Exponate aufgeteilt sind, stellen einen ersten Hinweis auf die eigentliche Bedeutungsebene dar, auf die er mit seiner Arbeit Spielwarenfabrik verweist. Der Titel der Serie ist ein Codename – einst für das größte Panzerwerk des Zweiten Weltkrieges – in diesem Fall aber für die Rüstungsindustrie an sich, die im Zuge der aktuellen Kriege wieder präsenter in der Politik und den Medien ist.
Hubert Blanz beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit Systemen und in den hier ausgestellten mit dem Begriff der Systemrelevanz, also der Bedeutung einer Institution, Branche oder eines Sektors für das Funktionieren eines gesamten Systems. War es während der Corona-Krise noch das Gesundheitswesen, das in Zusammenhang mit diesem Begriff überwiegend genannt wurde, so wird aufgrund geopolitischer Konflikte zunehmend auch die Rüstungsindustrie immer mehr als systemrelevant angesehen.
Die damit verbundenen ethischen Implikationen werden bei Blanz insbesondere dadurch deutlich, dass er hier die Rüstungsindustrie der Spielwarenfabrik gegenüberstellt.

Mit den vergrößerten Modellbauteilen – wir sehen z. B. den Arm eines männlichen Soldaten oder auch die Tragfläche eines Tornados – die wiederum mit den nötigen Kleinteilen, um das jeweilige Objekt bauen zu können, gefüllt sind, stellt er die vermeintliche Harmlosigkeit in Frage. Die in der Serie hinterfragte Systemrelevanz wird durch die Videoanimation Spielwarenfabrik – Kettenreaktion, bestehend aus Scans von Teilstücken der Gussäste, die von links nach rechts durchlaufen, sowie durch flussdiagrammähnliche Material-Collagen verstärkt. So erinnert die Videoarbeit nicht nur an industrielle Fließbandarbeit, sondern hat durch die Farbigkeit und die Auswahl der Motive auch einen Sci-Fi-Charakter. Die bewusste Wahl der Farbe Grün, die fast fluoreszierend wirkt, in Kombination mit dem schwarzen Hintergrund und dem vorhandenen Bildrauschen, birgt zudem noch die Assoziation zu Aufnahmen mit Nachtsichtgeräten oder auch zu Videospielen wie der Serie Call of Duty, in der der Spieler/die Spielerin die Rolle eines Soldaten/einer Soldatin einnimmt. Dies kann als Kommentar zur heutigen Realität, einer zunehmend von Technologie durchdrungenen Gesellschaft, interpretiert werden.

In der Umsetzung der Modelle zu den Fotoarbeiten wird der Schatten zum Licht, ähnlich wie bei den Scans der Videoarbeit. Das Durchleuchten als ein wesentlicher Bestandteil schafft eine zusätzliche Dimension der Wahrnehmung.
Das Zusammenspiel der einzelnen Arbeiten der Serie lässt den Gedanken an ethische und soziale Fragen im Hinblick auf Fortschritt und Technologie aufkommen.


Katharina Ehrl, Kuratorin und Sammlungsleiterin Fotografie und Medienkunst Museum der Moderne Salzburg
<< < >