Brickline 1250 – Ein britisches Mauer-Fries
Rauminstallation, Digitaldruck auf selbstklebender Folie, Teilstück von 17 x 1250 cm, Gesamtlänge 4474 cm, Hubert Blanz, 2016
A British Wall Frieze
Andreas Krištof
Hubert Blanz’s künstlerische Arbeit ist bestimmt von der Beschäftigung mit Strukturen und Rastern, häufig sind es urbane Systeme und Architekturen denen er nachspürt. Seine fotografischen Arbeiten gehen von realen Gegebenheiten aus, verwenden
diese aber nur als Versatzstücke um zu neuen Bildmustern zu gelangen.
In seiner für das ACF entwickelten Arbeit montiert er aus London-typischen Garten- bzw.
Grundstücksmauern aus Backstein ein visuelles Fotoband, welches sich einem Wandornament
gleich, durch den Raum schlängelt und an ein Panoramaporträt erinnert, das uns ausgehend vom Kulturforum in Kensington durch sämtliche Stadtbezirk von London führt. Es ist Verortung und abstrakte Bildstruktur zugleich.
Das Haus vom Nikolaus
Simone Christl
In der Ausstellung Das Haus vom Nikolaus zeigt die Galerie Reinthaler einen Ausschnitt aus Hubert Blanz umfangreicher
Werkreihe Homeseekers. Wie in vielen anderen Arbeiten des Künstlers, sind räumliche Strukturen, spezielle architektonische Situationen und städtische Motive, Ausgangspunkt und Thematik. Die Basis für dieses Projektes ist in der fotografischen Erfassung von Londons Fassaden- und
Maueransichten zu finden. Blanz hat über 2600 Fotos in sämtlichen Boroughs von Greater London aufgenommen, überarbeitet und dann teilweise collageartig zusammengesetzt und neu inszeniert.
Hubert Blanz interessiert sich für die reduzierte Form. Er spart Details aus und objektiviert seine Fotos.
Auffallend ist, dass keine Menschen und möglichst wenig Umgebung abgebildet werden. So erreicht er seine gewollt „kulissenhafte, naive und perspektivenlose“ Ansicht.
In seiner flächigen und abstrahierenden Darstellung der fenster- und türlosen Häuserfassaden nimmt er daher auch bewusst Bezug auf das Kinderzeichenspiel „Das ist das Haus vom Nikolaus“, bei welchem gleichzeitig zu den acht gesprochenen Silben innerhalb eines
Linienzuges ein einfaches Haus gezeichnet wird.
Blanz ist ein Sammler von Motiven. Seine Arbeit beinhaltet neben einem knappen
Maß an dokumentarischem Charakter die Absicht, neue Sinnzusammenhänge zu evozieren und zuzulassen.
Dieselbe Arbeitsweise finden wir etwa in Blanz Fenster- und
Lichtstrukturdarstellungen aus Chicago: Urban Codes. Auch hier werden durch die Wiederholung ähnlicher Motive, die möglichst zweidimensional aus unterschiedlichen Blickwinkeln fotografiert wurden,
ebendiese in ihrer Wichtigkeit betont.
Hubert Blanz zeigt in der Ausstellung Details aus der 3-teiligen Bildcollage Homeseekers – A City from Behind, eine 9 Meter breite Stadtansicht, die zwischen 2012 und 2016 enstanden ist.
Jedes Foto oder Bild enthält vielschichtige Wahrnehmungsmöglichkeiten und will auch so gelesen werden.
Ein wichtiger Aspekt in Hubert Blanz Werken stellen sozialkritische Fragen und
historische Zusammenhänge dar: Gerade die „Hinterhofansicht“ ist interessanter als die Prunkansicht eines Gebäudes. Häuser werden bewusst von hinten („The City from Behind“) betrachtet – mit ihren fenster-, tür- und schmucklosen Fassaden.
Der Künstler betont seine Faszination für die architektonische Besonderheit dieser schlichten Backsteinfassadenhäuser welche nach dem Großen Brand von London im Jahre 1666 zunehmend die Holzbauten ersetzten.
Maßgeblich für deren Aussehen waren überdies die Fenstersteuer aus dem Jahre 1696 und die „Steuer auf Luft und Licht“ aus dem Jahre 1746, welche beide erst Mitte des 19. Jahrhunderts wieder
abgeschafft wurden und während deren langer Wirksamkeit soziale Unterschiede deutlich sichtbar wurden.
In Brickline 1250 – Ein britisches Mauer-Fries gestaltet Blanz aus nahezu endlos zusammengesetzten Garten- und Grundstücksmauern aus Backstein ein Fotoband, welches direkt auf die Wand geklebt, die
Galerie durchläuft. Dieses Abtasten des Raumes beim Betrachten, erinnert an die langen Streifzüge durch jene Städte, die sich Blanz zum Thema macht. Das Begehen und Umrunden Londons spiegelt
sich in der Anordnung der 12,5 Meter langen Rauminstallation wieder.
Wir finden in Brickline erneut die systematische Aneinanderreihung eines ähnlichen Motivs. Auch hier steht Erkennbarkeit im Hintergrund. Wichtiger ist die
Suche nach neuen gestalterischen Möglichkeiten und Sinnzusammenhängen. Das Errichten von Mauern erinnert an das aktuelle Weltgeschehen, ebenso
der Titel Homeseekers.
Bei der Recherche in London fielen Blanz die vielen Immobilienangebote von
Maklern auf. Durch den Titel Homeseekers, der Bestandteil des Namens eines Londoner Immobilienbüros ist, verweist er auf deren Annoncen – eine Verdeutlichung der hoffnungslosen Wohnungssuche in einer prekären Wohnungsmarktsituation, wie sie zunehmend auch in Wien zu spüren ist.