hubert blanz

Der Grüne Salon
Videoprojektion, 4:3 Format, 10:55 min, Hubert Blanz, 2005


Heim-lich ornamentiert

Wolfgang Fiel

Wände haben zwei Seiten: Wenn, wie Vilém Flusser schreibt, die Außenwand politisch und die Innenwand heimlich ist, bezieht er sich auf ‘obdachlose’ Mauern (etwa in Berlin oder China), die das Geheimnis vor dem Unheimlichen zu schützen haben. Diese Metapher liefert eine brauchbare Analogie zu den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Biedermeier, einer Zeit, die durch eine bürgerliche Fluchtbewegung in Genussfreudigkeit und die ‘heimliche’ Geborgenheit häuslicher Intimität gekennzeichnet war. Aus dieser Perspektive ist es nicht weiter verwunderlich, wenn die Oberflächen der nach innen gerichteten Seite der schützenden Wände an Aufmerksamkeit und damit an Gestaltsignifikanz gewonnen haben. Der repräsentative Anspruch der bürgerlichen Gesellschaft wurde mit dem gesteigerten Verlangen nach Privatheit und Individualität gewissermaßen nach innen gekehrt und spiegelte sich im Inventar, häuslichen Utensilien und der architektonischen Ausstattung der Wohnräume wider, wobei dem Gesellschaftsraum, dem sogenannten Salon, als Keimzelle sozialer Interaktion eine spezielle Rolle zukam. Die Innenwände wurden zu Projektionsflächen allgemeiner Lebensart, zu Wunschmaschinen der kollektiven Rückzugsromantik. Mit seiner im Rahmen der Gruppenausstellung A Room Of My Own im Hofmobiliendepot Möbel Museum Wien, gezeigten Arbeit untersucht Blanz die potenzielle räumliche Tiefe repetitiver Oberflächenstrukturen. Das Ambiente des „Grünen Salons“, einer Musterschau für prototypische Wohnungseinrichtungen aus der Zeit des Biedermeier und des Vormärz, dient Blanz als Projektionsfläche für die Überlagerung zweier Zeitschichten, die sich gemäß einer fraktalen Logik gewissermaßen zu einer Tapete mit ‘tiefer Oberfläche’ verdichten. Die Selbstähnlichkeit des Ornaments wird damit zum Ausdruck für die in ihrer Ewigkeit aufgehobene Zeitlichkeit.
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