hubert blanz
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information sluice
Audio-/Videoinstallation, 4:3 Format, 13:15 min, Hubert Blanz, 2003
Being Hubert Blanz
Wolfgang Fiel
Wahrnehmung ist eine Frage des Standpunkts und damit des Verhältnisses von Beobachter und beobachtetem System. Diese abstrakt anmutende
Aussage mag zwar als Gegenstand endo-physikalischer Untersuchungen bis zu einem
gewissen Grad beschreibbar und damit objektivierbar sein, bleibt aber der
Selbstwahrnehmung des beobachtenden Subjekts weitgehend unzugänglich, da die affektive ‘Übersteuerung’ der simultan aktivierten Wahrnehmungskanäle die ‘bewusste’ Registrierung einzelner Parameter erheblich erschwert. Die Welt von innen zu
erschließen, ist jedoch im Sinne einer künstlerischen Annäherung an die kognitiven Implikationen der eingangs getroffenen Aussage
emotionaler Ausgangspunkt und Inhalt der Arbeit mit dem Titel
Information Sluice. Die vielfältigen psychischen und physiologischen Operationen während des Wahrnehmungsvorgangs, die vermutlich von einer Vielzahl parallel
ablaufender Vorgänge des kognitiven Verarbeitungsapparates getragen werden, liefern für Blanz ein reichhaltiges Repertoire rekonstruierbarer Vorstellungsbilder.
Exemplifiziert innerhalb des Referenzrahmens individueller Suchvorgänge im World Wide Web hat Blanz die Bewegungsspuren seiner eigenen
hypertextuellen Reisen durchs Netz während eines Zeitraums von ca. drei Monaten anhand von Textbildern und Audiofiles
chronologisch dokumentiert.
Ein unablässiger Strom von Wortfetzen, Bildfragmenten und Klangstücken steuert visuelle und phonetische Assoziationsketten, führt zu einer überwältigenden Vielstimmigkeit an Eindrücken, die sich – wie oben beschrieben – im Einzelnen einer reflektierten Wahrnehmung entziehen und nach
kontinuierlicher Verkürzung der Wiedergabeintervalle schlussendlich zu einem polyphonen Rauschen
werden.
Um nun als externe BeobachterIn (‘Exo-Blanz’) die Perspektive einer im System befindlichen AkteurIn (‘Endo-Blanz’) zu gewinnen, muss diese notwendigerweise selbst Teil des beobachteten
Referenzuniversums werden. Blanz sorgt für die Zugänglichkeit zu seinem Universum mittels einer Röhre, die allerdings, wie sich bald herausstellen wird, nicht in der Funktion
einer Schnittstelle am anderen Ende eine neue Endo-Perspektive freigibt,
sondern den durch die Röhre Gleitenden in verheißungsvoller Erwartung verharren lässt. Diese Gleitfahrt ist es jedoch, die zum eigentlichen Ereignis der
Wahrnehmung wird. Wir betrachten gewissermaßen einen Bildschirm, der nicht etwa eine Interface-Objektivität, sondern vielmehr eine im Zustand permanenter Selbstentäußerung befindliche ‘hyperbolische Subjektivität’ zeigt. Die psychedelische Gleitfahrt durch das röhrenförmige Interfacemedium (Information Sluice) wird in reflexiver Umkehrung der
generischen Ausgangsbasis gewissermaßen zum informativen Overkill des Gleitenden, der auf seinem Erkundungstrip
durchs Blanz’sche Universum ganz ohne Vorwarnung sich selbst überlassen auf seine eigene Wahrnehmungswelt zurückgeworfen wird.
Auf eine der Schlüsselszenen von Danny Boyles Trainspotting Bezug nehmend, könnte diese Erfahrung als ‘Teppichvision’ des Medienjunkies bezeichnet werden.
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