hubert blanz
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Boxenstopp
C-Print auf Aluminium, Hubert Blanz, 2009
Sieben Sekunden
Ruth Horak
Sieben Sekunden dauert ein durchschnittlicher Boxenstopp bei Formel-1-Rennen. Er
passt sich in seiner unglaublichen Effizienz, mit der da in kürzester Zeit von einer eingespielten Mannschaft getankt und Reifen gewechselt
werden, an die herrschende Geschwindigkeits-Euphorie an. Zu schnell für unser Auge.
Angesichts des Flirrens der unzähligen Carrera-Bahnen mit ihren akrobatischen Windungen, über die Hubert Blanz die Rennautos rasen lässt und die im Bild nur mehr als Lichtscheine über die Bahnen huschen, legt sich mir Virilios Buchtitel in die Denkbahn: Rasender Stillstand. Alles zu schnell für uns? Brauchen wir einen BetrachterInnen-Boxenstopp, um unsere Augen wieder aus
dem Labyrinth der Carrera-Bahnen zu befreien?
Eigentlich sind es nur „stille“ Bahnen, Steckmodule, und ein weiteres Mal durch die Fotografie zum Stillstand
gebracht. Dennoch beherrscht ein Rasen und Drängen das Bild, eine undurchdringliche Dichte. Ähnlich wie es Deleuze beim Film beobachtet hat, setzt sich auch hier die
Bewegung aus erstarrten Posen und unbewegten Schnitten zusammen. 1) Das Tempo
geben die geschwungenen Elemente vor, aber die Dynamik entsteht in der Dichte,
in der totalen Montage. 400 Layer liegen vor uns. Eine digitale Akkumulation
von Aufsichten und Profilen unterschiedlichen Maßstabs, jedes einzelne der Masse untergeordnet. Ein „Ornament der Masse“ (Kracauer), ein Geflecht an Kurven und Steilkurven, Spurrillen und Leitplanken,
die sich vor uns schlängeln und winden wie die Schlangen am Haupt der Medusa und unseren Blick in
ihren Bann ziehen. Die ursprüngliche Bewegung, das Rasen der Carrera-Autos ist vergangen und in den Fotos
stillgelegt, zeitlos, aber die am Rechner neu geschaffene Bewegung findet jetzt
statt. Die Dualität von Rasen und Stillstand ist geschickt vollzogen. Umso dichter der Schnitt,
desto atemberaubender der Eindruck der unermüdlichen Bewegung. Das Auge gibt sich dem Eindruck hin.
1) Vergl. Gilles Deleuze, Das Bewegungs-Bild, Kino 1, Suhrkamp 1989 (1983), S. 21.
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