hubert blanz
| |||||||||||||
Text_Presse
| |||||||||||||
deutsch / english
| |||||||||||||
Schreib etwas …
Ruth Horak
„Schreib etwas…“ fordert mich Facebook auf, die Kommunikation mit einer neuen Freundin zu
starten. „Was machst du gerade?“ Ich scrolle über die Fotos der letzten 27 Events und Nicht-Events meiner neuen Freundin. „Schreib einen Kommentar…“, werde ich wieder aufgefordert, während ich die Alben ihrer Freundesfreunde überfliege. „Gefällt mir“ kommentiere ich, und bin jetzt ihre Freundin, eine von 351. „Wir haben online so viele Freunde, dass wir ein neues Wort für die echten brauchen“ lautete kürzlich der Anzeigentext einer deutschen Tageszeitung, um auf die zunehmende Präsenz von Online-Ausgaben gegenüber Printmedien aufmerksam zu machen – wie auch unsere online Freunde die echten in den Schatten stellen?
Hubert Blanz begibt sich mit seinem Foto- und Animationsprojekt public tracks auf die verschlungenen Wege solcher Freunde und Freundesfreunde und ihrer
Fotoalben. public tracks sind Visualisierungen sozialer Netzwerke, angeregt von den Debatten um inflationäre und oberflächliche Freundschaften, um das Kommunikationsverhalten der Facebook-Generation
und deren lockeren Umgang mit Öffentlichkeit und Privatheit, deren Benutzerprofile, Formen der
Selbstdarstellung und Exhibitionismus.
Wer kennt wen? Facebook erstellt dir dein persönliches Friend Wheel. Hubert Blanz geht weiter: zunächst statistisch wie das Friend Wheel, hat er exemplarisch aus 500 Millionen
Facebook-Nutzern den Account eines vorbildlich gut vernetzten und aktiven Users
herausgegriffen (Eric Themel: Österreicher, 33 Jahre alt und Profi-Snowboarder, aktuell 1483 Freunde), dessen
Freundschaften gesichtet und nach Freundesfreunden verknüpft. Dann jedoch sind die public tracks ehrlich und stellen das soziale Kapital dieser auf Quantität aufbauenden Freundschaften in Frage: die Freunde werden zu Buchstaben, zu
Zeilen, zu rein grafischen Elementen und verlieren sich, zu Daten geschrumpft,
in der Tiefe des Netzes. Fotos sind auf Konturen, Flächen und Farben reduziert, die an kein konkretes Ereignis mehr gebunden sind, ähnlich wie auch die Buchstaben die Freunde nicht mehr charakterisieren – jeder hinterlässt eine Spur in der Öffentlichkeit, jeder (wenn auch nur als einer von 500 Millionen) hat seinen
medialen Auftritt, der bisher nur Stars oder Personen mit öffentlichen Berufen vorbehalten war. Hubert Blanz übersetzt also den gigantischen Informationsumfang derartiger Kommunikationsforen
in dichte abstrakte Bilder, Netze, die von austauschbaren Fotofragmenten
durchdrungen werden. Unmengen von Pünktchen, weit in die Ferne gerückt und bedeutungsleer, legen Assoziationen mit dem Universum, mit Sternhaufen
oder Galaxien nahe und adressieren damit den facebookschen Anspruch auf
Globalität, den ja auch deren Friend Wheel, in Form eines Erdballs und von Erdenbürgern gesäumt, lanciert.
Hubert Blanz: „Ich versuche aus den Massen an Fotos des Profilinhabers und der Struktur seines
Bekanntschaftsnetzwerkes eine Art „Virtuelles Portrait“ dieser Person zu schaffen. Dabei ist die Größe des Netzwerkes und die Verbindungen innerhalb des Freundes- oder
Bekanntenkreises maßgeblich und dementsprechend formgebend.“ Ob das soziale Kapital mit der Anzahl der Freunde steigt, oder doch an einer
intensiveren Beziehungsarbeit hängt – schreib etwas… 74 Personen gefällt das.
| |||||||||||||