hubert blanz
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Feldforschung
s/w Silver Gelatin Print, Barytpapier auf Dibond, Acrylglas gerahmt, 130 x 190
cm, Hubert Blanz, 2012
Anna Stuhlpfarrerr zur Einzelausstellung Feldforschung, Galerie Reinthaler, Wien, 2015
Feldforschung
Anna Stuhlpfarrer
Strukturen und Raster sowie das vielfältige, weite Thema der Vernetzung bestimmen die Arbeiten von Hubert Blanz. Waren
es bislang Autobahnen oder Fassaden ganzer Straßenstriche, die der Künstler wochen- und monatelang abschritt, fotografierte und zu neuen Räumen und Landschaften zusammensetzte, so wendet er sich diesmal dem Organischen
zu. Nicht die vom Menschen geschaffene Architektur steht in der Serie Feldforschung im Mittelpunkt, vielmehr sind es die in der Natur vorkommenden Kleinstrukturen,
die Hubert Blanz‘ Interesse wecken.
Hubert Blanz ist Bildhauer, Fotograf und Forschender zugleich. Er nähert sich der Landschaft auf vielfältige Weise an: virtuell, wie es heute durch Geodaten-Software wie Google Earth
möglich ist, mittels eigens angefertigter Modelle sowie durch die „Aufnahme“ vor Ort - ob fotografisch oder durch die Entnahme von Objekten aus der Natur.
Ein Blick „hinter die Kulissen“ löst einige offene Fragen auf. Grundlage für die Fotoarbeit Feldforschung 02 waren selbst gesammelte, verschiedenartige und -farbige Moose, mit denen Hubert
Blanz eine neue Landschaft in Form eines kleinen Hügels konstruierte. Zahlreiche Detailaufnahmen, aus unterschiedlichsten
Perspektiven fotografiert, werden neu zusammengesetzt, nun schwarz/weiß und invertiert. Wieder sind es – nur diesmal aus der Natur entnommen – Strukturen, Muster und rasterartige Netze, die Hubert Blanz in unermüdlicher Detailarbeit zu großformatigen Fotoarbeiten kombiniert. Wir sehen Landschaften – scheinbar aus großer Höhe aufgenommen, Satellitenaufnahmen der Erdoberfläche, glauben Berge und Täler, Seen und Flüsse zu erkennen. Erst beim Näherkommen lösen sich die Bilder auf, entschlüsseln sich zu dem, was sie wirklich sind, entpuppen sich nun als Collagen aus
Flechten, aus Blättern, aus Moosen.
„Die Bilder sollen keine Zitate sein, sondern Landkarten“ sagt Hubert Blanz und lädt uns damit zu einem Spiel mit der Wahrnehmung ein, auf das wir uns gerne
einlassen.
Auch bei Feldforschung 05 ist das Ausgangsmaterial organisch: mithilfe des Durchlichtverfahrens wird die
verzweigte Binnenstruktur und das rasterartige Netzsystem von Blättern sichtbar, durch Überlagerungen entstehen unterschiedliche Farbschattierungen.
Hubert Blanz schneidet die Blätter aus, zerschneidet sie, setzt sie neu zusammen und konstruiert damit neue
Landschaften und Universen. Er arbeitet mit dem Mittel der Verfremdung, verstärkt dies durch das bewusste Zeigen von Kleinem in vergrößerter Darstellung und dem bewussten Einbau von Störungen.
Die für Hubert Blanz ganz typische künstlerische Herangehensweise verdeutlicht auch die kleine zweiteilige Fotoarbeit
mit dem Titel Industrial Scan – Rhizom 03. Das Wort Rhizom stammt vom griechischen Wort rhiza (= Wurzel, Wurzelstock) ab
und bezeichnet in der Botanik einen unterirdischen Erdspross. Ganz zart und
still scheint hier etwas zu wachsen, sich wurzelartig auszubreiten, sich zu
verzweigen und wieder zusammenzukommen. Wir sehen Verdickungen und einzelne „Triebe“, die im Nichts enden.
Wenn wir jedoch nochmals auf den Bildtitel achten, der erste Teil lautet Industrial Scan – dann werden wir in eine andere Richtung gelenkt – weg von der Natur, in den industriellen/technischen Bereich. Wie bereits bei
den Fotografien aus der Serie Feldforschung zeigt auch hier der Blick aus der Nähe plötzlich, dass wir uns irreleiten ließen. Was uns erst als natürliches Netzwerk aus der Pflanzenwelt erschien, präsentiert sich nun als Collage verschiedener Kunststoffrohre. Diese ganz neu
entstandenen, in ihrer filigranen Art an eine Zeichnung erinnernden Fotografien
sind die Weiterentwicklung einer Serie, die Hubert Blanz im Jahr 2013 begonnen
hat, als er von der Firma Wienerberger zur Entwicklung einer freien künstlerischen Arbeit mit Bezug zum Unternehmen eingeladen wurde.
Begleitet werden die teils großformatigen Fotoarbeiten von einer Videoprojektion, die bereits im Jahr 2009
entstand. In Landgang begibt sich Hubert Blanz mithilfe einer Geodaten-Software auf die Spuren von
Charles Darwin, der in den Jahren 1831-1836 an Bord der HMS Beagle an einer
Weltumseglung teilnahm. Die Animation schickt uns auf eine virtuelle
wissenschaftliche Entdeckungsreise, wir sehen die Welt von oben und nähern uns insgesamt 24 Stationen dieser historischen Reise an. Beinahe magisch
entfernen und nähern wir uns der Erdoberfläche und geraten erneut ins Staunen. Was ist hier Wasser, was ist Land?
Und nun beginnt sich der Kreis zu schließen: Wie schon bei den Fotografien fragen wir uns, ob wir unserer Wahrnehmung
trauen können. Spielt Hubert Blanz auch hier ein Spiel mit uns? Denn erneut scheint der
erste Eindruck zu trügen...
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